DIE BRÜCKE – Kärnten. Kunst. Kultur.- Nr. 44 Dez. 03 / Jän. 04
Seite 18,19,20, C4
Hrsg. Land Kärnten Kultur 2003
Textbeitrag: Daniela Kogler
“Melitta Moschik SCHNITTSTELLEN. Kunst zwischen Alltag und Wirtschaft”
November 2003
Kunst und Wirtschaft – Wirtschaft und Kunst: diese zwei Bereiche erscheinen in unserer Zeit weniger komplementär als vielmehr diametral entgegengesetzt. Um diesem vorschnellen Urteil entgegenzuwirken, wurde der ARTECO– Preis initiiert: denn Kunst arbeitet, wie Melitta Moschik betont, mit ähnlichen Strategien wie sie im wirtschaftlichen Bereich üblich sind. In diesem Sinne eröffnet sich ein sinnvolles Kooperationsverhältnis zwischen den beiden Bereichen. Die nicht immer ausschließlich zielorientierte Kunst zeigt auch durch die Betonung prozessorientierten Arbeitens ungewohnte Sichtweisen auf, die, wenn wechselwirkende Schnittstellen möglich sind, zu einem kulturellen Mehrwert führen.
Eben diese Schnittstellen nehmen im Gesamtwerk Melitta Moschiks zentralen Stellenwert ein. Basierend auf diesem gedanklichen Hintergrund gestaltete sie auch den Begriff ‚ARTECO’ als skulpturalen Preis der Veranstaltung: zwei Aluminiumobjekte formieren sich zum Gesamtbegriff, wobei obere und untere Platte symbolisch ineinander greifen – Kunst, die innovatives Potenzial in sich birgt, und Wirtschaft, welche mitwirkt, dieses umzusetzen. In prozessorientierter Verbindung verfolgen beide Diskurse das Ziel, in den Alltag einzugreifen.
Wie ein roter Faden zieht sich das Bewusst-Machen und -Werden von Schnittstellen durch die Arbeit der Künstlerin. Schnittstellen sind hier Verbindungslinien. Orte gezielter Markierung und der Konzentration, Orte, denen immanente Grenzen innewohnen. In zahlreichen Kunst und Bau-Projekten kennzeichnete Moschik Orte dieser Art. Dazu zählt zum Beispiel Urban Interface 2000, ein städtebauliches und mediales Kommunikationszeichen am Lendplatz in Graz, das Moschik so beschreibt: zwei zwölf Meter hohe Metallstelen mit integrierten dynamischen LED-Anzeigeflächen markieren im Kreuzungsbereich den Platz als urbane Schnittstelle und als Ort der Kommunikation. Urban Interface fungiert als Kommunikator. Im stetigen Wechsel werden aktuelle Textinformationen in den Stadtraum ausgesendet. Die elektronischen Lichtsäulen stellen sich in Dialog mit den Passanten und lassen die Identität des Ortes bewusst werden.
In öffentlich sichtbarer Form wird Kunst in den Alltag, in die alltägliche Lebenswelt integriert und bleibt somit nicht nur einem engen Rezipientenkreis vorbehalten – jeder Passant wird aufmerksam und dadurch in den künstlerischen Prozess integriert. In den Projekten ‚Living Units’ für die Landwirtschaftliche Fachschule Litzlhof und ‚To the Point’, ein intermediales Kunstprojekt zur touristischen Aktivierung des geographischen Mittelpunktes Kärntens in Arriach, liegt der Schwerpunkt ebenso im kommunikativen Aspekt und Nutzen künstlerischer Projekte; rote Markierungen werden zu allgemeinen Symbolen der Kommunikation, der abstrakte Charakter von Kunstwerken erhält soziale und praktische Bedeutung. Kunst und Leben verschmelzen, dadurch, dass ein Kommunikationsprozess im öffentlichen Raum ausgelöst wird. Besonders wichtig ist es ihr, darauf aufmerksam zu machen, dass benutzerorientierte Kunst nutzbringend ein- und umgesetzt werden kann. Kunst nähert sich hier quasi einer Form der Dienstleistungen im alltäglichen Leben an.
Die Faktoren Nutzen und Kommunikation gehen in diesem Sinne über in das künstlerische Werk. Als Schwerpunktthema der Arbeit beschreibt Melitta Moschik die visuelle Codierung von user interfaces, von Benutzeroberflächen wie zum Beispiel U-Bahnpläne oder Schnittbogenmuster, mit denen Menschen täglich kommunizieren. Diese stark realitätsbezogenen Wahrnehmungsmuster werden durch das Entfernen der konkreten Information, durch ihre fragmentarische Verwendung abstrahiert und erlangen dadurch verstärkt Allgemeingültigkeit. Es ist eine Auseinandersetzung mit Abbildungen der Wirklichkeit, mit konditionierten Denkmustern in den Köpfen der Menschen: die user interfaces als intelligente Oberflächen reflektieren in komprimierter Form die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Wirklichkeit. Bildschirmoberflächen, Infografiken, Bildstatistiken sind die neuen Fenster zur Welt, die die Weltbeobachtung durch Zeichenbeobachtung ersetzen. Ihre symbolgrafische Bildsprache ist als komprimierte Form der Anschaulichkeit und des Wissenstransfer lesbar. Durch die Codierung/Decodierung bekannter Wahrnehmungsmuster möchte ich der Lesbarkeit dieser Bildkulturen nachgehen und diese im Kontext der Kunstrezeption betrachten, so Melitta Moschik.
In Analogie zu dieser ästhetischen Intention steht die Verwendung neuester Technologien wie Laserschneid- und Sandstrahlverfahren sowie das Sichtbar-Machen von Computerprozessen in Dreidimensionalität mit den Materialien Aluminium, Stahl oder Glas. Die nutzbringende ästhetische Herausforderung durch Melitta Moschik besteht darin, Kunst von der Tendenz des interesselosen Wohlgefallens zu entfernen, um diese dem alltäglichen Leben anzunähern.