Christine Wetzlinger-Grundnig, April 2019
Textbeitrag im Katalog “Bilder einer Landschaft”, Museum Bautzen, D
Melitta Moschik greift wissenschaftliche, soziokulturelle und mediale Phänomene auf und behandelt Fragen der Wahrnehmung und Repräsentation von Wirklichkeit, die sie unter konstruktiven Gestaltungsprinzipien in computergenerierten, industriell gefertigten Werke in technoider Ästhetik umsetzt. In den vorliegenden Arbeiten beschäftigt sich die Künstlerin mit den heutigen Verfahren der bildlichen Darstellung der Welt.
Das Bild der Landschaft spiegelt den Blickwinkel, aus dem wir die Welt betrachten und konstruiert die Wirklichkeit als Wahrnehmungseinheit im Rahmen der zeitgenössischen Möglichkeiten und Anforderungen. Der digitale Fortschritt hat die Sicht auf die Welt verändert. Die kartografische Erfassung der Erde, die im 20. Jahrhundert durch elektronische Neuerungen revolutioniert wurde, wird heute mittels Luft- und Satellitenaufnahmen vorgenommen; analoge Auswertungsverfahren wurden von digitalen Sensoren abgelöst. Das GPS gewährleistet präzise Standortangaben, die Referenzpunkte zur Positionsbestimmung liegen nicht mehr auf der Erde, sondern im All. Die Digitalisierung erlaubt einen neuen Umgang mit kartografischem Material und ermöglicht eine Vielfalt von unterschiedlichen Beobachtungen der Erde.
Melitta Moschik bedient sich digitaler Ansichten von Google Earth um analoge Anschauungsmodelle zu bauen. GLOBE FACES zeigt sechs Bilder der Erde, vom Nullmeridian ausgehend und entlang des Äquators um jeweils 90° gedreht, die in die Fläche projiziert sind – in Referenz an die Mercator-Projektion, einer winkeltreuen Abbildung der Erdoberfläche aus dem 15. Jahrhundert, die bis zur Erfindung des GPS für die Navigation in See- und Luftfahrt unverzichtbar war. Die laterale Abwicklung vermittelt in multiplen Perspektiven die Kontinente, rekonstruiert die Vorstellung von Welt und relativiert bekannte Bilder. Die Motive sind in Punktrastern – auf die digitalen Bilddaten Bezug nehmend – mittels CNC-Technik in Stahl gestanzt. Die reliefartige Flächenstruktur evoziert Assoziationen zu Landschaftlichem, zu Luftbildaufnahmen von terrestrischen Oberflächen.